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Inhalte, Layout und Bilder auf dieser und allen andere Seiten der Website Eigentum von U. Hofmockel, 2005

Wann trägt man was?

Das einfach Schöne soll der Kenner schätzen - Verziertes aber spricht der Menge zu...

 

Was überhaupt getragen wurde hängt natürlich in erster Linie vom Einkommen ab. Die schwülstigen Romanbeschreibungen einer Toilette setzen in den allermeisten Fällen eine zahlreiche Dienerschaft voraus, welche die wolkigen Spitzen täglich auffrischt, schmierige Kinderhände von Seidenstoffen fernhält (im Gegensatz zur heutigen Werbung, die uns weis machen möchte, daß sich die Mutter im Businessanzug diebisch über eine halbe Tonne Fingerfarben am edlen Zwirn freut...) sowie Haushalt und Garderobe so pflegt, daß die Dame des Hauses sich nur an- und auszuziehen braucht.

Die Mehrzahl der Haushalte wird ohne Pantoffeln aus Krokodilsleder und üppige Valenciennes ausgekommen sein. Und wenn es diese Kleidung im Schrank gab, dann war sie besonderen Anlässen vorbehalten, denn selbst bei nur kleinen Tätigkeiten im Haushalt sind viele Materialien schnell ruiniert.

Wirklich Reiche, die sich alles leisten konnten und unter sich auch in den üppigsten Toiletten den Tag verbrachten, gab es im Verhältnis wenige. Selbst in wohlhabenden Haushalten haben die Frauen ab und an Hand im Haushalt angelegt oder sich in Küchen und Keller "herumgetrieben", um den Haushalt zu beaufsichtigen. Die nachfolgenden Beschreibungen treffen eher diese Haushalte und geringere, die Verwendung von kostbaren Stoffen ist also tatsächlich nur besonderen Gelegenheiten vorbehalten. Das am häufigsten verwendete Material wird vermutlich Wolle gewesen sein, bestenfalls ein Gemisch aus Wolle und Seide, im Sommer auch Baumwolle. Auch bei Gesellschaften muß nicht immer zwangsläufig Seide getragen werden, je nach Alter wirken ebenso Tüll, Batist und feine Wollstoffe schön und waren auch durchaus üblich.

Morgen Der Tag der ausgehenden Tournürenzeit beginnt im Schlafrock, der einige Stunden getragen wird, dazu Pantoffeln und Häubchen. Der Schlafrock ist ein Kleidungsstück, in dem man dem Gatten durchaus gegenübertreten darf und sich Dienstboten zeigen kann. Er ist bequem, wenn Hausarbeit damit zu verrichten ist, dann auch zweckmäßig. Die Farbwahl und der Schnitt sind ganz dem Geschmack der Trägerin überlassen.

Im Schlafrock Besuch zu empfangen ist unüblich, jedoch manchmal z. B. aus Krankheitsgründen nicht zu vermeiden. Dann darf er auch gerne aus feinen Stoffen und üppigen Spitzen bestehen. Und natürlich darf man dann auch die besonders zierlichen Schuhe tragen, schließlich gelte es nur kurz, den evtl. vorhandenen Druck auszuhalten. Zumindest in diesem Punkt hat sich seit 120 Jahren offenbar nur wenig getan...

 

Vormittag Es ist Zeit für das Hauskleid. Dieses ist ausgerichtet für evtl. Hausarbeit sowie für das Erscheinen beim Mittagessen. Unter Umständen wird in diesem Kleid auch Besuch empfangen oder es werden kleinere Besorgungen erledigt. Für die Dame von Stand sollte es daher nicht zu schlicht sein.

Die Farben sind meist dunkel und widerstandsfähig, der Stoff robust. Die Röcke sind kurz mit wenig Draperien, die Taillen glatt und ohne Auszier.

Das Hauskleid wird bei der Hausarbeit durch eine Schürze aus grobem, leicht waschbarem Stoff geschützt. Sollte eine Schürze für die Optik des Kleides notwendig sein, kann diese bei den Mahlzeiten oder für Besucher durch eine zartes Modell ersetzt werden.

Die morgendliche Haube wird abgenommen und die Tagesfrisur gemacht.

 

Nachmittag Während das Hauskleid noch für unangemeldeten Besuch zulässig ist bedarf es für angemeldete eines Empfangskleides. Dieses wiederum ist je nach Portemonnaie und Besuch unterschiedlich üppig. Es gilt die Faustregel: je fremder der Besuch, desto reicher das Kleid. Familienangehörigen z. B. sollte nicht durch eine protzige Toilette das Gefühl von Distanz gegeben werden. Das Empfangskleid darf jedoch keinesfalls die Garderobe der Besucher übertreffen.

Wenn kein Besuch ansteht und statt dessen ein kurzer Spaziergang, kommt das Straßenkleid zum Zuge. Es sollte in saisonal passenden Farben und Stoffen gestaltet sein, ohne große Muster und ohne allzu große Reverenz an die Mode, um es möglichst elegant erscheinen zu lassen. Der Rock ist nicht bodenlang, aber auch nicht kurz, die Materialien sollten nicht auffallend sein, also keine Seiden etc.

Für üppige Promenadenkleider, so wie auf vielen Kupfern zu sehen, habe ich keinen direkten Hinweis gefunden, allerdings habe ich auch noch keine Quelle vom Anfang der 80er Jahre. Zumindest in deren Ende scheint das Promenieren in der Stadt deutlich nachzulassen und die große Garderobe anderen Gelegenheiten vorbehalten.

Eventuell bekommt vor allem im deutschen Raum das Besuchskleid das Gewicht, was andernorts das Promenadenkleid hat. Das Besuchskleid kann auch zu Diners, Soupers oder ähnlichen Gelegenheiten getragen werden und darf auch aus auffallenderen Stoffen sein. Wenn es das Portemonnaie erlaubt, dann ist nichts zu reich und zu kostbar, was die Ausstattung des Kleides und den Rest der Toilette angeht. Beschränkend wirkt allenfalls der Anlaß, da sich z. B. zu einem Kondolenzbesuch schlichter gekleidet wird als zu einer Einladung zum Tee.

 

Ein "Sonntagskleid" für den Fotografen, das wohl für den bürgerlichen Haushalt als Mittelding zwischen Empfangs- und Besuchskleid genutzt wurde.

Abend Wenn der Abend im Kreise der Familie verbracht wird, dann wird erneut das bequeme Hauskleid getragen.

Besuche im Theater oder Konzert hingegen lassen endlich glänzende, auffällige Stoffe und üppigen Putz zu. Dies ist allerdings abhängig von den Gepflogenheiten der jeweiligen Stadt. In Berlin um 1890 wurde z. B. eine auffällige Toilette im Theater als spießbürgerlich angesehen, während in anderen Städten nur Logeninhaber geputzt ausgingen oder wie in Wien oder Paris an Putz gar nicht genug getragen werden konnte. Theatertaillen sind gerne aus Spitze, Plüsch oder Samt, dazu kommt dann ein  passender Rock.

Hüte sind nicht üblich, wenn jedoch auf ihn nicht verzichtet werden kann, dann darf er mehr und größere Federn als der Tageshut haben und zusätzlich mit noch mehr Bändern, Blumen und Spitzen verziert werden.

Sollte das Theater in großer Gesellschaftstoilette besucht werden, dann ist diese durch einen Spitzenumhang o. ä. abzumildern.

Nur auf großen Gesellschaften werden auch wirklich große Toiletten getragen. Weiterhin sind sie abhängig vom Alter der Trägerin. Junge Mädchen z. B. tragen weniger aufwendige Stoffe und keine Schleppe, die Frisuren sind kunstvoll aber natürlich. Samt, Seide und Spitzenstoffe sind  den älteren Frauen vorbehalten.

Gleiches gilt für Bälle und Kostümbälle. Bei Kostümbällen sind Masken beliebt, die es heute gar nicht mehr gibt, z. B. einzelne Blumen, ein Schmetterling oder ein Vogel. Auch bekannte Persönlichkeiten wurden natürlich dargestellt, ebenso wie so interessante Kostüme wie eine "Havannah-Zigarre". Leider habe ich davon kein Bild ;-).

   
Reise Die viel beschriebene Sommerfrische scheint die Zeitgenossen dazu herausgefordert zu haben, sich einmal im Jahr "etwas zu leisten". Und dies, obwohl sich eigentlich nur wenige einen bequemen Urlaub haben finanzieren können. Wenn aus Kostengründen schon damals das Dienstmädchen nicht mitgenommen werden konnte, dann war der Urlaub zumindest für die Dame des Hauses keiner und scheint eher Prestigezwecken gedient zu haben.

Aber natürlich gab es auch Damen, die den Anforderungen einer Wintersaison nur gestärkt durch eine Sommerfrische in allem Komfort entgegensehen konnten. Und Damen, die aus Gesundheitsgründen reisten. Auf Reisen sind vielfältige Dinge zu beachten.

Reist man z. B. vom Land zu Verwandten in die Großstadt ist das Gepäck zu beschränken, da es in der Stadt erfahrungsgemäß deutlich weniger Platz in den Wohnungen gibt. Empfohlen wird ein einfaches Straßenkostüm, einige bessere Anzüge für Theater etc., einen eleganten Morgenrock sowie einen einfachen und einen aufwendigeren Hut.

Wenn die Städterin aufs Land reist soll sie umfangreiche Garderobe mitnehmen, aber nicht die modernste. Sie würde ebenso durch modische Extravaganzen auffallen wie durch das tägliche Tragen desselben Kleides.

Für einen Ausflug ins Gebirge wird empfohlen, zwei wollene Reisekleider von einfachem, etwas fußfreierem Schnitt sowie ein gewöhnliches Straßenkostüm einzupacken. Alles mit einfachem Besatz ohne Perlfransen oder Spitzen. Dazu ein ungarnierter, leichter Hut mit größerer Krempe, um das Gesicht zu schützen sowie ein stabiler Schirm mit schwarzer Bespannung, ein wollenes Plaid und zwei Paar Stiefel mit breiten Absätzen und dicken Sohlen. Dazu Unterwäsche etc.

Wenn die Reise länger dauert und die Menge des Gepäcks beschränkt ist, dann empfiehlt sich, für Gesellschaften mehrere Taillen zu einem passenden Rock mitzunehmen. Auch können Fichus oder Spitzenkragen die wollenen Reisekleider "gesellschaftstauglich" machen, ohne den Koffer unnötig zu belasten. Neben der praktischen Kleidung wird noch die Mitnahme eines bequemen Hauskleides für Regentage angeraten. Bei größeren Gebirgstouren wird ein Rock aus Loden empfohlen mit einem kleinen Besatz aus Tuch zum Schutz des Stoffes vor der Stiefelschnürung. Unter dem Rock sollen geschlossene Hosen aus Wollstoff getragen werden, um der Witterung standhalten zu können.

Anders ist es bei Reisen in große Modebäder, dort hat man quasi Narrenfreiheit, was die Wahl und Zahl der Kleider betrifft, sofern man es sich leisten kann. Wer finanziell nicht gerade Baden-Baden verkraften kann und mit kleineren Bädern vorlieb nehmen muß, dem wird empfohlen, nur waschbare Kleider in nicht zu hellen Farben zu wählen. Die Problematik, in einem hellen Kleid aus zartem Stoff zu einem Spaziergang geladen und dann von einem Regenschauer überrascht zu werden, darf nicht unterschätzt werden J.

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