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Jahrhundertwende
1890 - 1905

 

1891 1894 1900 1904
       
       
       

Nach Krinoline, großer Tournüre und Cul de Paris blieben wenig Möglichkeiten, wie der Rock noch mehr oder andere Betonung hätte erhalten können. Die Umstellung zur Betonung der Taille scheint die naheliegendste Möglichkeit gewesen zu sein, noch "etwas Neues" bringen zu können, zumal die hinderlichen Rockunterbauten nicht mehr zeitgemäß waren.

Die ersten Änderungen machten sich im Rock bemerkbar, die aufwendigen Garnituren und Drapierungen der späten Tournürenzeit wurden drastisch reduziert, der einfache Glockenrock kündigte sich an. Die Taille erfuhr zum Ausgleich große Aufmerksamkeit in der Verzierung, beliebt waren besonders Soutachearbeiten und Bänderstickerei.

Die Taillen behielten noch die Verarbeitung und Form aus der Tournürenzeit bei, die Ärmel bekamen zunehmend eine stärkere Puffe an der Schulter. Gleichzeitig erfreute sich das "tailor made" oder auch das "englische Kostüm" wachsender Beliebtheit. Mit der Zeit war es aus der Garderobe fast jeder Frau kaum noch wegzudenken und bildete in der neuen und  praktischen Kombination Jacke-Rock-Bluse die Alltagsbekleidung schlechthin.

 

Tailor made

Die Bezeichnung "tailor made" bezieht sich auf die Verarbeitung des Kleidungsstücks, die an die Herstellung von Herrenjacken durch Herrenschneider (tailor) angelehnt ist.

Die Damentaille wird mit Oberstoff und Futter als eine Lage verarbeitet, die Taille ist hochgeschlossen und ist eine Oberbekleidung, die nicht abgelegt wird, also ohne Bluse direkt über der Chemise bzw. corset cover getragen wird.

Das englische Kostüm hat einen Reverskragen, der bislang ausschließlich der Herrenkleidung vorbehalten war, eine Verstärkung des Vorderteils durch Roßhaar oder wattiertes Leinen (für die ganz mageren Damen...) sowie ein separat gefertigtes Futter. Die Stäbe sitzen unter dem Futter.

  Gerade bei den Ärmeln wechselte die Mode in schneller Folge. Aus der noch dezenten Puffe am Anfang der 90er Jahre wurden schnell große Keulenärmel, die wie im Biedermeier gestützt werden mußten. Nachdem die Ärmel nicht mehr größer werden konnten, verkehrten sie sich zur Jahrhundertwende ins Gegenteil und nach einer schmalen Ärmelphase erhielt der Unterärmel die Betonung.

Der Rock behielt seine Innenverarbeitung, verlor aber fast jegliche Dekoration. Quasi zum Ausgleich fand die Schleppe wieder Eingang in die Tageskleidung. Sie betonte die Glockenform, die zur Jahrhundertwende sehr ausgeprägt war.

Die modisch neue Bluse wurde aus immer feineren Materialien hergestellt, wer es sich leisten konnte verwendete reine Spitze, die sich locker-fluffig um die Trägerin bauschte. Die Bluse wurde im Rücken mit Knöpfen geschlossen oder durch einen Verschluß in der vorderen Mitte, der wiederum durch eine Klappe verdeckt war, die an Schulter und Seite befestigt wurde.

Eine weitere neue Erfindung war die geänderte Form des unverzichtbaren Korsetts. Das "viktorianische" Korsett, das die Büste hebt und die Taille betont, wurde abgelöst durch die S-Form, welche die Figur der Frau in eine unnatürliche Haltung zwingt. Das Motto "Brust raus, Bauch rein" findet in ihr seine Entsprechung.

Natürlich ist nicht jede Frau am Ende des Jahrhunderts tagtäglich in dieser Zwangshaltung durchs Leben gegangen, auch hier gab es sicherlich Unterschiede zwischen Modehörigen und anderen Angezogenen, was auch Fotos dieser Zeit zeigen. Die sehr verbogene Haltung der Modekupfer findet sich dort selten und dann auch nur ansatzweise wieder.

Die Silhouette der großen Brust mit sehr schmaler Taille wird zum einen durch den Schnitt der Blusen hervorgerufen und zum anderen durch Einlagen verschiedenster Art hergestellt. Letztere erfreuten sich schon in vorangegangenen Modestilen einiger Beliebtheit. Mein liebstes Beispiel dafür findet sich in Cunningtons "History of Underclothes" und sieht aus wie Käseglocken aus Draht. Der Phantasie sind also nur Grenzen durch das Schmerzempfinden der Trägerin gesetzt.

Nach wie vor ebenfalls unverzichtbar war der Hut. Als Gegengewicht zu den bombastischen Ärmeln wurden Frisuren zu reichen Haartürmen hochgesteckt, auf ihnen thronten kleine, flache Hüte mit üppiger Dekoration, die in Form von Federn und Blumen hoch aus dem Hut sprießte. Im Laufe des Jahrzehnts wurde die Krempe der Hüte breiter und bereitete sich darauf vor, zu den sensationellen Wagenradhüten der 1910er Jahre zu werden.

Zum sportlichen englischen Kostüm paßte gut ein sportlicher Hut, also wurde auch für Damen der matrosenähnliche Strohhut entdeckt. Kleine Kapotten wurden weiterhin getragen, auch ganze Vögel als Dekoration blieben beliebt. Im Gegensatz zur späten Tournürenzeit, der neben einer lächerlich hohen Hutkrone noch eine absurd-überdimensionierte Garnitur gefiel, beschränkt sich das ausgehende Jahrhundert auf eben diese. Kein Vogel spreizt sich zu sehr, keine Blume ist zu groß, keine Feder zu lang. Grenzen setzte wie immer nur der Geldbeutel.

Eine wie ich finde sehr schöne Reproduktion eines Jahrhundertwendekleides durch Atelier Melczuk

       
       

 

 

Jahrhundertwende
1890-1905

 

 

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