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Späte Tournüre
1882 - 1889

Die 80er Jahre des 19. Jahrhunderts entdeckten die Tournüre wieder, jetzt als Cul de Paris. Anders als bei der ersten Tournüre wurde die hintere Auslage aber deutlich größer - es gibt Gemälde, in denen die Röcke fast rechtwinklig abstehen - und die Schleppe verschwand außer bei Abendkleider gänzlich.

Ein Grund dafür war wohl auch, daß immer mehr Frauen berufsstätig waren und die Schleppröcke dabei außerordentlich hinderlich.

Die Grundkonstruktion der Röcke änderte sich grundlegend. Aus den vormals deutlichen horizontalen und vertikalen Linien wurden Draperien und Raffungen, die keine Linie mehr einhielten. Diagonalen, gardinenartige Paneele, versetzte Knopfleisten - alles wurde modern und möglich. Aus den vorherigen Ober- und Basisröcken wurden einteilige Röcke, die mit Faltenbesätzen in allen möglichen Formen garniert wurden.

Die Tournüre wurde inzwischen auch direkt in den Rock eingearbeitet. Für Alltagskleider ist dies ein sehr praktisches Verfahren. Bei Kleidern für offizielle Anlässe ist aber eine separate Tournüre anzunehmen, da diese mehr Auslage und mehr Stabilität bietet.
 

 

Die Taillen blieben wie die Cuirasstaillen lang und hatten ihren Mittelpunkt etwas unterhalb der natürlichen Taille, um den Körper zu strecken. Die Dekoration der Röcke fand sich häufig als Besatz oder Passe in der Taille wieder. Insgesamt war die Taillendekoration schlicht gehalten, es wurde eher durch verschiedene Stoffe und raffinierte Raffungen eine Wirkung erzielt als durch überbordende Spitzen und Volants. Die Kleider insgesamt sind sehr einheitlich, Rock und Taille sind genau aufeinander abgestimmt.

Natürlich gibt es wie immer auch Ausnahmen, bei dem Beispiel links wird der Effekt gerade durch Spitzenvolants im Kontrast zur vorgeblich locker drapierten Schärpe gesetzt. Beim rechten Kleid ist die Wiederholung des Rockbesatzes in der Taille aber gut erkennbar, ebenso die asymmetrische Draperie am Rock sowie der überaus beliebte Einsatz in der Taille, der westenähnlichen Charakter hat.

Der Ärmelansatz wanderte endgültig Richtung Schulteransatz, die Ärmel selber konnten leicht gepufft oder glatt eingesetzt werden. Die großen, hochstehenden Schultern wie zu Beginn der 90er Jahre sind ebenso möglich wie vollkommen glatte Ärmel. Beides war wohl abhängig von den Vorlieben der Trägerin und/oder der Optik des Kleides (am Beispiel: links glatt, rechts leicht gepufft).

 
Die gesamte späte Tournüre versucht, die Figur zu strecken. Dies macht sich auch bei den Hüten bemerkbar, die zum Teil abenteuerliche Ausmaße in der Krone annahmen. Eine hohe Krone im Hut wurde zusätzlich noch garniert mit Vogelflügeln oder sogar ganzen Vögeln, üppigem Federschmuck oder überquellenden Blumen aus Samt und Seide. Die Krempen blieben bei den  meisten Hutformen schmal und im europäischen Raum waren Kapotten sehr beliebt, die den Kopf wie runde Kugeln umschlossen.

Allerdings gilt bei den Hüten, was auch für die Alltagskleidung gilt: Ein aufwendiger Hut paßt nur zu einem aufwendigen Kleid. Das Beispiel rechts zeigt einen Strohhut, wie er von jeder Dame selber dekoriert werden konnte, da die Dekoration überschaubar ist. Die Hutrohlinge waren bezahlbar und in vielfachen Formen erhältlich.

Sehr üppig dekorierte Hüte sind anzunehmenderweise das Werk von Modistinnen, welche selber keine Grundformen herstellten, dies war die Aufgabe des Hutmachers. Die Modistin widmete sich lediglich der Ausgestaltung, die auf so vielen Hüten nach bloßer Unordnung aussehen, aber das geschulte Auge der Handwerkerin verraten. Unordnung mit System sozusagen.

Es gab ausführliche Monatszeitschriften nur für Modistinnen, in denen die neuesten Moden beschrieben wurden. Man kann davon ausgehen, daß somit auch die nicht ganz so gut betuchten Damen sich modische Hüte geleistet haben, vielleicht nicht gerade mit Paradiesvogelfederbesatz (der fast zur Ausrottung dieser Vögel führte), aber als Strohmodell mit Rosetten und Samtblumen bestimmt, denn für die zahlenmäßig doch geringe High Society war die Herausgabe einer eigenen Modistenzeitung kaum lohnend. Vielmehr war es die Aufgabe der Modistin, die dort genannten Trends im Verhältnis zum Geldbeutel für jeden erschwinglich zu machen.

In jedem Fall ist der Hut bei Tournürenkleidern ausgesprochen wichtig. Keine Dame verläßt barhäuptig das Haus.
 

Die Frisuren, vor allem für den Alltag, kommen inzwischen ohne große Haarteile aus. Ein kleiner Pony ist beliebt, auch wenn mancher Zeitgenosse den Damen vorwirft, diese Mode würde sie "beschränkt" aussehen lassen. Diesem Argument kann man in Anbetracht mancher Bilder nicht immer etwas entgegensetzen...

Kleine Locken und Wellen runden das Bild ab, allerdings nur bei denen, die eine Coiffeuse zu ihren Angestellten zählen. Die praktische Hausfrau beläßt es bei streng gescheitelten Frisuren und aufgesteckten Knoten, wie auf vielen Bildern zu sehen ist.

Abendfrisuren sind nach wie vor aufwendig mit Haarteilunterlegungen, Locken und Blumen- bzw. Federschmuck.

Vom Haarefärben wird von Zeitgenossen strengstens abgeraten, nicht nur, weil es unnatürlich aussieht, sondern die Farben wohl auch nicht immer so haltbar waren wie gewünscht. Gleiches gilt für Brennscheren, welche die Haare bei häufiger Anwendung verderben.

Es gilt also, aus dem Vorhandenen das Beste zu machen.

 

 

Schuhwerk wird immer solider, viele Frauen sind durch ihre Berufstätigkeit mehr zu Fuß unterwegs und wollen im späteren Jahrhundert sogar Fahrrad fahren. Leichte Seidenschuhe bleiben der sommerlichen Promenade oder der Rennbahn vorbehalten, üblich sind geknöpfte oder geschnürte Lederschuhe und -stiefel. Die Absatzhöhe entspricht den Vorlieben der Trägerin, teilweise sind ausdrücklich flachere und breite Absätze Mode.

   

 

Späte Tournüre
1882-1889

 

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