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Das Korsett


 

Das Korsett ist in der Mode des 19. Jahrhunderts ohne Frage eine sehr wichtige Unterbekleidung. Es dient als BH und zur Gewichtsverteilung der Röcke. Ohne Korsett würden diese schon nach kurzer Zeit sehr schmerzhaft in die Taille einschneiden.

Ich halte es aber für unsinnig zu meinen, daß jeder eine 50cm-Taille haben muß, nur weil er - oder vielmehr sie - ein Korsett trägt. Modekupfer gaukeln uns zwar spindeldürre Frauen in bombastischen Kleidern vor, aber das tun Werbeplakate von heute auch. Die Models der Pariser Laufstege sind nichts anderes als Kleiderständer, die den Kreationen der Designer durch ihre Kurven nicht die Show stehlen sollen. Mit der Realität der Durchschnittsfrau hat das aber recht wenig zu tun.

Schon die Schuhgrößen der Modekupfer sollten einem zu denken geben, daß die Proportionen der Damen sehr einem Idealbild entsprechend. Ebenso die Position von Hüten, die den Hut häufig an die Stelle des Gehirns setzt, anstatt auf den Kopf. Es sieht halt einfach besser aus. Auch die in Schnittmustern und Modezeitungen meist angegebenen Maße von rund 94 cm Brust zu 58 cm Taille sind Idealmaße, in etwa wie die heutige Größe 38, die ja auch nicht jeder trägt.

Ich  finde es nachvollziehbar, daß durch frühzeitiges und regelmäßiges Tragen von Korsetts sich die Struktur des Brustkorbes ändern kann, also der untere Rippenbereich zusammengedrückt wird, während der obere weiter wird. Das würde auch erklären, warum viele erhaltene Korsetts tatsächlich eine im Verhältnis zur Taille große Brustweite haben.

Original

 

 


Aber auch die Damen damals haben atmen wollen und atmen müssen. Die wenigsten konnten ihre Zeit bei Pferderennen und Teebesuchen vertrödeln, auch die Frauen der besser gestellten
Haushalte hatten durchaus etwas zu tun, was mitunter anstrengend sein konnte. Eine Hausfrau, die
10x täglich in Ohnmacht fällt, weil sie nicht atmen kann ist ziemlich unwahrscheinlich, unsere Altvorderen waren ja keineswegs dümmer oder unpraktischer als wir.

Fälschung

 

 

 
Die meisten Fotos der damaligen Zeit zeigen recht stabile Figuren, spätestens nach dem ersten Kind. Von Wespentaille ist da keine Spur. Natürlich gibt es auch Bilder von sehr schlanken Frauen, die auch den Eindruck machen, als wäre stark geschnürt worden. Zum einen sind diese meistens aber noch sehr jung und zum anderen ganz eindeutig nicht der Durchschnitt. Hinzukommt, daß die Frauen damals deutlich kleiner waren, die Proportionen also auch schon ganz anders wirken.Eine Ausnahme sind sicherlich offizielle, gesellschaftliche Anlässe, allen voran Bälle, bei denen es einen Mann zu fangen gilt. Dort war natürlich jedes junge Mädchen bemüht, einen möglichst positiven Eindruck zu machen. Allerdings nützt auch dort das Schnüren bis zum Anschlag nichts, weil einem dann schlichtweg die Puste zum Tanzen fehlt.

Ein gut sitzendes Korsett ist ein durchaus bequemes Kleidungsstück und beileibe kein Folterinstrument. Wer es regelmäßig trägt wird mit der Zeit mehr schnüren können als jemand, der es nur 2x im Jahr zu Kostümtreffen anzieht. Auch hilft es, das Korsett bereits morgens anzuziehen und tagsüber regelmäßig nachzuschnüren. Aber auch dann ist irgendwann die Grenze des persönlichen Wohlfühlschnürens erreicht und man sollte es nicht zum Wettkampf ausarten lassen, wer denn nun die schmalste Taille hat.

Klar, es gab die Elisabeths von Österreich, die trotz einer Körpergröße von 1,72 einen sagenhaften Taillenumfang hatten, aber unter heutigen Gesichtspunkten war das Körperempfinden z. B. dieser Dame mehr als pathologisch, also ein denkbar schlechtes Vorbild. Und klar, es gibt auch heute Frauen, denen das Blut der offenen Blasen schon aus dem Schuh tropft, die aber trotzdem mit Stilettoabsatz und mörderischer Schuhspitze durch die Gegend stöckeln. Aber der Orientierungspunkt sollte ja nicht das Extrem sein, sondern das eigene Wohlbefinden, denn man wertet sich mit 2 cm mehr oder weniger Taille nicht auf. Den Ehrgeiz beim Korsetttragen würde ich lieber in ein detailfreudiges Kleid stecken, das macht einen wesentlich besseren Eindruck als eine laufende 50cm-Taille, die ständig Schwindelanfälle hat.

Also keine Angst vorm Korsett und keinen falschen Ehrgeiz bei seiner Anwendung, das bereichert das Kostümerleben ungemein. J

Und zum guten Schluß eine nach meinem Dafürhalten normale und durchschnittliche Figur der 1880er Jahre mit Korsett:

 

 
 

 

 
     

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