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Ratschläge mit und ohne Dr. Klenckes Hilfe aus dem Bazar von 1873
Anmuth
Kosmetik und Schminke
Seife
Die Haut
Der Mund
Die Augen
Anstand und Toilette
Die Kunst, schön zu sein, ist wie der Stein der Weisen noch nicht aufgefunden worden; sogar die Regeln dieser Kunst stehen noch nicht fest. Alle Definitionen alter und neuer Philospohen reichen nicht aus, das Wesen der Schönheit zum erfassen und zu umschreiben. Es wird Ihnen immer nur gelingen, einzelne Formen derselben anzugeben; das tausendfältige Prisma , wodurch der menschliche Geist und die menschliche Gestalt sich abspiegeln, wird immer wieder durch ein neues, anderes Farbenspiel überraschen und aller bisherigen Wahrnehmungen spotten.
Daher kommt es auch so oft vor, daß ein Gesicht , welches nach den sogenannten Regeln der Schönheit vollkommen zu nennen wäre, dennoch weder reizt noch gefällt, ein anderes, viel weniger regelmäßig, dagegen so hinreißend wirkt, erwärmt und erfrischt wie Sonnenschein und Frühlingsluft.
Der tiefe Sinn der antiken Welt trachtete danach , dieses Phänomen zu erklären durch die Macht der Anmuth, deren Symbol der berühmte Gürtel der Venus war, um dessen Besitz sich sogar die Göttinnen stritten.
Übrigens ist die Definition der Anmuth eben so schwer wie die der Schönheit; man hat gesagt, der Reiz in der Bewegung sei der wesentliche Bestandteil der Anmuth , aber auch in der Ruhe vermag sie sich zu zeigen. Ein liebliches Kind oder ein holdes Mädchen im Schlaf zu sehen, ist gewiß ein Bild voll Anmuth.
Schön zu sein liegt nicht in der Macht des Menschen, aber anmuthig zu sein kann man lernen, freilich nicht beim Tanzmeister allein; das Gleichgewicht und die Harmonie der Seele müssen die Bewegungen des Körpers regeln und gewissermaßen adeln, dann entsteht das schöne Ebenmaß, welches Anmuth heißt.
Die häßlichste Frau kann anmuthig sein und dadurch die Wirkung der Schönheit ersetzen; es gibt unbestreitbare Beispiele, daß glühende Leidenschaften von häßlichen Frauen eingeflößt worden sind.
Noch ein anderer Trost für Diejenigen, denen das Glück, schön zu sein, versagt worden ist, liegt in der Wahrnehmung , daß es fast kein weibliches Wesen gibt, das nicht wenigstens einige Schönheiten aufzuweisen hätte, wenn es auch nur die Schönheiten „zweiten Ranges“ sind, wie eine Kennerin der Frauenreize sie nennt, nämlich schöne Hände, schöne Füße, schöne Haare und schöne Zähne. Es sind gerade diese Reize, welche sich durch richtige Pflege zur Schönheit heranbilden lassen.
Aber auch da, wo Schönheit ersten Ranges vorhanden ist, kann oft eine geringe Vernachlässigung, eine Unkunde oder Unvorsichtigkeit große Verluste oder Zerstörungen veranlassen, daher ist die „Pflege der Schönheit“ von großer Wichtigkeit im weiblichen Leben, und unsere Leserinnen werden hoffentlich dankbar dafür sein, daß wir Ihnen Gelegenheit geben, sich recht gründlich über dieselbe zu unterrichten. Wir haben dabei keine eitle Absicht, sondern eigentlich eine sehr ernste, nämlich möglichst alle Krankheiten vermeiden zu lehren, da ohne Gesundheit keine Schönheit möglich ist, wie wir schon mal vor Jahren unseren jungen Damen als Warnung zuriefen.
Denselben Wahlspruch hat Dr. Klencke in seinem gelehrten Werk über Schönheitspflege, Kosmetik genannt, auf aufgestellt und somit bestätigt. Auf der Grundlage einer rationellen Gesundheitslehre gibt er Ratschläge und Mittel, deren Unfehlbarkeit er jedoch keinesfalls behauptet. Er spricht sogar mit großer Aufrichtigkeit aus, daß es eigentlich keine positive Kosmetik gebe, daß man nur erhalten, nicht schaffen könne im Gebiet der menschlichen Schönheit.
Dr. Klencke gibt Mittel an zur Erhaltung einer weißen Haut, aber einer gelben kann er keine andere Farbe geben, nicht einmal durch Schminke, denn dieselbe verdirbt nur noch mehr, wie er gründlich beweist. Dennoch ist das Capitel von der Hautpflege ein sehr ausführliches und empfehlenswertes, da es die Ursachen eines schlechten Teints mit ärztlicher Gewissenhaftigkeit behandelt und eine reichliche Auswahl von Heilmitteln gibt. Wir nennen hier nur die Waschungen mit Reiswasser, Schwefelmilch in Rosenwasser, Emulsionen von bitteren Mandel, Borax, Gurkensaft usw.
Gegen die Schminke eifert Dr. Klencke, wie jeder vernünftige Mensch es tut, aber er ist zu sehr von dem Gebrauch derselben überzeugt. Es gibt in der guten Gesellschaft eigentlich gar keine geschminkten Damen, namentlich keine jugendlichen, denn sie wissen zu gut, wie sie durch Schminke ihre Hauptschönheit zerstören würden. Diese besteht ja gerade im Wechsel der Farben.
Das Märchen von den gemalten Gesichtern, die alle Woche frisch lackiert werden, kann doch keinen Glauben mehr finden! Wenn Madame Rachel in London wirklich Törinnen fand, die sich Geld abschwatzen ließen, um sich lackieren zu lassen, so erreichten sie es doch nie, schön auszusehen , höchstens glich ihr Gesicht einer hübschen Maske und erregte auch gewiß dasselbe Grauen, welche eine solche stets dem Beschauer einflößt.
Gegen die Seife ist Dr. Klencke sehr eingenommen, er erlaubt nur die ganz reizlose, wie spanische, marseiller, und empfiehlt Kampferseife, die nach seiner Angabe sehr leicht zu bereiten sein dürfte:
„Man zerreibt für ½ Silbergroschen Kampfer in Mandelöl, schmilzt für ungefähr 4 Silbergroschen spanische Seife (aus der Apotheke) in Regenwasser, rührt den aufgelösten Kampfer mit einigen Tropfen beliebigen Wohlgeruches hinein und läßt die Masse in einem Büchschen kalt werden. Dann braucht man täglich etwa die Quantität einer Walnuß zum Waschen des Gesichts und des Halses.“
Dr. Klencke rechnet die Haut zu den Schönheiten zweiter Klasse und legt überhaupt mehr Gewicht auf die Züge und den Ausdruck derselben. Er hat darin gewiß sehr recht, aber die Kosmetik ist dabei doch noch machtloser, als bei den anderen Körpervorzügen. Was kann man für ein Mittel anwenden, um eine schöne Nase zu bekommen? Und sie ist fast der wichtigste Teil des Gesichts!
Für die Schönheit des Mundes läßt sich dagegen viel mehr sorgen; ein großer Mund kann freilich nicht klein gemacht werden , aber er ist oft trotzdem noch schön. Auch hierbei ist die Natürlichkeit Hauptbedingung der Schönheit; Alles, was gekünstelt ist, verzerrt die Züge, hauptsächlich den Mund. Indessen gibt es auch eine Natürlichkeit , die häßlich ist und vermieden werden muß, z. B. das Hängenlassen der Lippe, das ungezwungene Gähnen usw. Ein gebildetes Wesen wird sich dergleichen nicht zu Schulden kommen lassen, ebenso wenig das Grimmassieren mit dem Munde.
Es ist am vorteilhaftesten für denselben, wenn die Lippen für gewöhnlich ruhig aufeinander liegen und bei Sprechen nur so weit geöffnet werden, als es die Deutlichkeit erfordert. Man muß es vermeiden, gleichzeitig zu lachen und zu sprechen, nur bei ganz außergewöhnlich schönen Zähnen ist es allenfalls erlaubt, aber selbst diesen ist es noch vorteilhafter, wenn man sie nicht so oft sehen läßt, namentlich nicht mit Absicht oder Zwang. Es gibt Menschen, die die Zähne fletschen wie wilde Tiere, um schöne Zähne zu zeigen.
Man zwinge sich nie zum Lächeln, es ist nur reizend, wenn es gleichsam wider Willen und verstohlen um die Lippen spielt, es wirkt dann wie Sonnenschein und verschönt immer das Gesicht.
Feuchte, rothe Lippen gelten für sehr reizend, wenn sie nicht zu dick oder zu dünn sind; ist letzteres der Fall, dann öffne man ein wenig den Mund, dadurch sehen die Lippen breiter aus. Schmale Lippen geben dem Gesicht meist den Ausdruck von Schärfe und Bosheit. Sind die Lippen zu dick, so mag man die Kunst üben, sie fest zu schließen und ein wenig nach innen einzuziehen, jedoch nur ganz unmerklich, denn sonst entstellt man sich, weil man affectiert aussieht.
Blasse, trockene Lippen müssen zuweilen mit der Zunge benetzt werden, doch nicht zu oft, weil sie leicht danach aufspringen. Ist letzteres geschehen, so bestreiche man die Lippen mit einer rothen Lippenpomade, wasche nachher aber immer den Mund mit frischem Wasser, sonst entsteht leicht Ausschlag an den Mundwinklen. Obwohl feuchte Lippen schön sind, so dürfen sie doch nie wirklich naß sein. Die Physignomen behaupten mit Recht, daß sie am Munde mehr noch, als an den Augen, die Innerlichkeit der Menschen zu erkennen vermögen.
Auch bei den Augen ist die Gesundheit eine Hauptquelle der Schönheit; sie gibt dem Weißen im Auge den bläulichen Schimmer, der Kinderaugen so reizend macht, und verleiht dem Blicke Glanz und Friedfertigkeit, während bei Kränklichkeit die schönsten Augen durch Entzündungen, Blinzeln, Schielen entstellt werden. Auf die Farbe der Augen kommt es wenig an, die Dichter besangen früher stets die blauen und braunen, aber meergrüne und graue gelten jetzt für ebenso schön.
Die häßlichsten Aeugelchen können als Spiegel der Seele durch deren überirdisches Licht verschönert werden. Aber niemals soll man mit Absicht Blicke werfen , weder gen Himmel noch zur Erde; man erscheint dadurch geziert und wird mit Recht verspottet. Die Lebhaftigkeit der Augen ist gewiß eine große Schönheit, aber sie muß spontan sein, ein lebhafter Geist wird sich ohnehin in den Augen bemerklich machen und hinreißend wirken. Bei erhabenen Empfindungen wird sich das Auge ganz von selbst gen Himmel richten und auf natürliche Weise den „weihevollen“ Blick bekommen, den Viele so reizend finden, und bei wahrhaft empfundener Verwirrung oder verschämter Bescheidenheit wird sich die Wimper senken.
Noch schädlicher, als affectierte Manieren, sind künstliche Verschönerungen des Auges, wie das Bemalen des untern Lides, der Wimpern und Brauen. Es ist lächerlich und häßlich zugleich, es läßt die Augen unheimlich maskenhaft erscheinen und zeugt von raffinierter Eitelkeit.
Auch über Anstand und Toilette verbreitet sich Dr. Klencke ziemlich weitläufig; er verlangt, daß alle jungen Damen die Exercitien einjähriger Freiwilliger erlernen sollen; der Unteroffizier sei unendlich viel geschickter zur Entwicklung einer guten Körperhaltung, als der Tanzlehrer, und wir müssen ihm beipflichten, namentlich ist es rathsam, letzteren nicht zu früh anzunehmen, sondern dem Exerciermeister die Vorarbeiten zu übertragen. Gegen das Turnen ist Dr. Klencke aufgebracht, weil es die Glieder ausrecke und unschöne Bewegungen hervorbringe, auch die Hände verhärte und die Schönheit geradezu in Gefahr bringe durch heftiges und gewagtes Springen, Fallen und Stoßen.
Über die Toilette bricht Dr. Klencke nach Männerart in Klagen und Schelten aus, worüber wir nach Frauenart zur Tagesordnung der Mode übergehen können.
Ein edler Anstand und ein geschmackvoller Anzug sind unstreitig der beste Rahmen für die Schönheit, ja, sie können in ihrer Wirkung dieselbe fast ersetzen. Man kann den edlen Anstand aber nicht durch äußere Anleitung erlernen, er muß von innen heraus kommen. Eine klare Selbstbeherrschung des Charakters wird sich auch in der Haltung des Körpers ausdrücken und Sicherheit in den Formen des guten Tons entsteht nur durch richtiges Urtheil und Scharfsinn.
Für hochgewachsene Gestalten ist es leicht, eine edle imponierende Haltung anzunehmen, kleine Figuren werden mehr durch Zierlichkeit gefallen. Eine gerade, aber ungezwungene Haltung, Ruhe und Gleichmäßigkeit der Bewegungen, namentlich aber auch ein schöner Gang sind Bedingung des edlen Anstandes. Ebenso ist die Art des Stehens und des Sitzens sehr wichtig; man soll ruhig sein, wenn man seht, sich nicht anlehnen, nicht von einem Fuß auf den anderen sich bewegen. Wenn man sitzt, soll man sich nicht rasch bewegen, man darf sich in den Sessel zurücklehnen, muß aber darauf achten, daß die Gewänder anmuthig über den Füßen liegen und höchstens die Spitze der zierlichen Schuhe sehen lassen.
Aeltere Damen dürfen sich nicht tief verneigen, wenn sie nicht etwa einer Fürstin vorgestellt werden oder von einem Prinzen angeredet werden. Ein freundliches halbes Neigen des Oberkörpers ist hinreichend, um die Pflicht der Höflichkeit zu erfüllen. Dagegen steht es jungen Damen sehr wohl an, wenn sie mit niedergeschlagenen Augen eine recht tiefe Verbeugung machen; doch muß dieselbe Herren gegenüber nach verschiedenen Graden abgemessen werden; jüngere Herren, die man nicht näher kennt, grüßt man mit einer raschen, kalt-höflichen Verbeugung, Bekannten darf man die Hand reichen nach der englischen Sitte (shake hands), aber niemals einen etwaigen Händedruck erwiedern.
Junge Damen dürfen sich nicht setzen, wenn ältere noch stehen, sie dürfen nicht laut sprechen und noch weniger laut lachen. Niemals dürfen Sie einen Herren mit dem Fächer schlagen oder mit der Hand anfassen, wenn er auch nicht mehr jung ist; ein sittiger, mädchenhafter Anstand ist die beste Schutzwehr für junge Damen.
Die Toilette ist nur dann eine Verschönerung, wenn sie den Eigenthümlichkeiten der Person angepaßt wird. Wie viele Damen versehen es hierin und entstellen sich mit ihren Hüten , Hauben, Kränzen und Haartrachten. Bei der jetzigen Mannigfaltigkeit der Mode ist es so leicht, etwas Individuelles herauszufinden, und die „Meisterin der Toilette“, diesem zauberhaften Instrument, kann jede Leserin des Bazar werden, sie möge aber die goldene Lehre nicht vergessen, die Lord Chesterfield, der Meister des guten Tons, schon vor hundert Jahren seinem Sohn erteilte: „Man muß alle ordentliche Sorgfalt auf den Anzug verwenden, daß er möglichst wohlkleidend, neu und geschmackvoll werde; wenn er aber fertig ist, und man in Gesellschaft erscheint, gar nicht mehr an denselben denken.“
Wir möchten diese Warnung auf die äußere Erscheinung überhaupt anwenden; man pflegt die Schönheit, aber man suche es alsbald zu vergessen, daß man sie besitzt, denn die allergrößte Schönheit ist doch die Unbewußtheit derselben. Die gefährlichste Raupe an der Rose der Schönheit ist jedenfalls die Eitelkeit! Könnten wir sie ausrotten, würde sich die Glückseligkeit des weiblichen Geschlechtes bedeutend erhöhen, denn die Freuden der Eitelkeit sind nichts gegen ihre Leiden! Daher ist es zur Pflege der Schönheit nothwendig, die Eitelkeit möglichst zu überwinden, weil sie die reizendsten Züge entstellt.