|
Die Unterwäsche bestand wie bei den Erwachsenen vorzugsweise aus Batist, Flanell oder Wolle und beinhaltet auch alle Einzelteile. Nach dem ersten Jahr trugen die Kinder oberschenkellange Strümpfe mit Strumpfhaltern, Hemd, Leibchen und Beinkleid. Es ist anzunehmen, daß im Sommer auch je nach Situation nur das Hemd genügte, Bilder gibt es davon aber keine, was nicht weiter verwundert. Bis zum Ende des Jahrhunderts setzt es sich durch,
daß meistens auch die Mädchen das Hemd in das Beinkleid steckten, die
Hemden wurden dafür etwas kürzer und schmaler. Die Beinkleider waren bei
kleinen Kinder noch mit hinterer Klappe geschlossen, danach waren sie je
nach Vorliebe und Tragweise des Beinkleides im Schritt offen oder
geschlossen. |
|
|
|
Das Leibchen trat bereits im 1. Lebensjahr auf den Plan, anfangs noch gänzlich unversteift und lediglich zum Zwecke der Befestigung von Beinkleid und Unterröcken. Zum Teil wurden auch Leibchen und Unterrock miteinander verbunden zum Unterkleid. Das Leibchen war offenbar ein unverzichtbares Kleidungsstück, daß Frauen quasi vom ersten Tag an begleitete.
Bereits ab dem 2. Lebensjahr konnten Schnurversteifungen in das Leibchen
eingearbeitet werden, Korsetts mit Fischbeinversteifung und Frontverschluß für Mädchen
gab es gemäß den gängigen Modezeitschriften
im Schnitt ab ungefähr 10 Jahren. |
|
Inwieweit das Kinderkorsett zur Herausbildung einer besonders schlanken Taille genutzt wurde bleibt in meinen Augen offen. Es gibt durchaus Modekupfer, auf denen bereits sehr junge Mädchen auffällig - weil unnatürlich - tailliert sind. Allerdings zeigen die Modekupfer auch Frauen mit Schuhgröße 25, die Abbildungen sind also immer etwas verklärt. Daß Kampfschnüren unter jungen Mädchen und Backfischen schon seitens der schulischen Einrichtungen verbreitet gewesen sein soll halte ich für ein Märchen aus 1001 Nacht oder von 1001 Fetischisten. Wahr ist aber wohl schon, daß die Mädchen von klein auf gewohnt waren, versteifte Oberbekleidung zu tragen, auch ein moderater Schnüreffekt wird relativ früh angewöhnt worden sein. Wie jeder gründerzeitliche Mensch wußte, waren Frauen schwach, sie bedurften der Stütze in der Bekleidung. Somit war für jeden - bis auf einige Reformquerulanten - folgerichtig, daß auch junge, schwache Frauen, bereits einer Haltungshilfe bedurften. Und weil das so normal war fanden es die Mädchen sicherlich völlig selbstverständlich, ein Korsett zu tragen. Ich nehme sogar an, daß das erste Korsett sehr wichtig war in der Entwicklung zur Frau. So wie heutige Mädchen gerne möglichst früh einen BH tragen möchten, selbst, wenn sie ihn noch gar nicht brauchen, wollten damalige Mädchen ein Korsett. Es steht aber nirgendwo geschrieben, daß dieses Korsett wie ein Panzer mit Fischbein vollgestopft oder bis zur Ohnmacht geschnürt werden mußte.
Daß es auch in diesem Punkt wie in allen anderen im Leben eine große
Bandbreite von Ansichten über "Richtig" gab, ist naheliegend. Also wird
es natürlich auch schon damals modefanatische Mütter gegeben haben, die
ihrem Kind eine Traumtaille zaubern wollten, koste es, was es wolle. Die
Regel war es aber sicherlich nicht, die Fotos damaliger Zeit besagen
anderes. |
|
|
Kleidung für 1 - 2 jährige 1873 1881 1886 1893 |
|
Nach 1875, mit Einzug der Küraßmode, wurden die Kleider schmal, sehr häufig war eine Betonung der Hüfte durch eine entsprechende Nahtführung und/oder Einsatz gemusterter Stoffe. Das tief angesetzte Rockteil, gerne als Faltenrock, bei einem schmalen Kleid blieb bis ungefähr 1890 in verschiedenen Varianten. Die zu diesem Zeitpunkt stattfindende Veränderung der Frauenkleidung zum praktischen hin wirkte sich auch auf die Mädchenkleidung aus. Eine Hose war zwar nach wie vor undenkbar, aber die Kleider wurden weiter und bequemer, ließen mehr Raum für Bewegung und Spiel. Matrosenkrägen wurden populär, das klassische
„niedliche“ Mädchenkleid mit Puffärmeln und gerafft angesetztem, weitem
Rockteil hielt Einzug und bleibt bis heute für festlich Gelegenheiten
erhalten. |
|
Kleidung für 6 - 8jährige 1873 1878 1882 1886 1893 |
|
Die Altersangaben in Modezeitungen für Kleidung von Mädchen ab 4 Jahren beziehen sich auf die Schnittführung, nicht auf die Gestaltung des Kleides. In den Taillengrundschnitt wurden mit zunehmendem Alter Abnäher eingearbeitet, erst ein einzelner flacher, später ein oder zwei tiefe, um die Figur zu modellieren. Auch die Anzahl der Schnitteile veränderte sich. Während das Jahreskleid noch mit nur einem Rücken- und Vorderteil auskam, passte sich das Kinderkleid für 9jährige bereits mit separatem Seitenteil zusätzlich an. Auch komplexere Kleiderformen nahmen mit wachendem Alter und Eitelkeit zu. Bis ca. 1875 wurde auch von Mädchen unter 9 Jahren oft ein Kleiderrock getragen, die Modebilder lassen nur diesen Schluß zu. Es ist aber anzunehmen, dass der Rock ebenso wie der Unterrock und das Beinkleid am Leibchen festgeknöpft wurde oder in irgendeiner Form mit der Taille darüber verbunden. Nach 1875 waren bis zum Alter von ungefähr 9 Jahren an die Taille angesetzte Rockteile üblich, der separate Kleiderrock wurde standardmäßig normalerweise erst von „Backfischen“ getragen. |
|||
Gleiches gilt für Tuniken, Draperien und jegliche mit mehr
Stoffaufwand zu erreichende Auszier und betrifft wie immer das
durchschnittliche Portemonnaie. Für Großverdiener gilt anderes. Das relativ schlichte um mit wenig Aufwand herzustellende echte Kleid auf dem Foto links steht in keiner Relation zur aufwendigen Garderobe der 15jährigen auf dem rechten Modekupfer. Für die Mehrheit aller Backfische damaliger Zeit wird ein solches Kleid in unerreichbarer Ferne gelegen haben. Aber Träume sind ja erlaubt...
|
Eine sehr prägnante, modische Vorliebe des 19. Jahrhunderts waren
bei Kinder die geringelten Strümpfe. Sie tauchen auf Fotos wie auf
Modekupfern durch alle Modestile hinweg immer wieder auf, vermutlich
waren die meisten schwarz-weiß-geringelt, aber auch andere Farben gab es
sicherlich und ebenso Ringel in allen Breiten. Mädchen trugen Ringelstrümpfe gemäß den Modekupfern bis ungefähr zum 10. Lebensjahr. |
|
Inhalte, Layout und Bilder auf dieser und allen andere Seiten der Website Eigentum von U. Hofmockel, 2005